Eine persönliche, bittere Bilanz von Harald Kiefer

DietenbachWALD:

Eine persönliche, bittere Bilanz

Von Harald Kiefer, Sprecher des AK Dietenbach im BürgerInnenVerein Rieselfeld

Eine Woche vor Weihnachten wurde die Rodung von mehr als zwei Hektar DietenbachWALD vollendet: Die Motorsäge heulte, ein Bagger drückte, und krachend stürzte eine mehr als zweihundert Jahre alte Eiche zu Boden. Sie war die letzte ihrer Art, die den Baumaschinen im Weg stand. Zuvor waren die letzten Baumhäuser unter einem Großaufgebot der Polizei samt Spezialeinsatzkommando geräumt worden. Bewohner von Freiburg standen fassungslos daneben, viele mit Tränen in den Augen.

Eine einzige alte Eiche ist Lebensraum für mehr als eintausend(!) Tierarten, von der Hirschkäferlarve im Wurzelstock bis zur Haselmaus in der Baumhöhle. Aber was zählt der Lebensraum bedrohter Arten, wenn es um den Lebensraum von Menschen geht? Auch in der selbsternannten „Green City Freiburg“ mit ihrem „Klima- und Artenschutzmanifest“: Nichts.

Schon zehn Tage zuvor hatten die Rodungstrupps mit martialischen Maschinen unter starkem Polizeischutz zwei breite Schneisen in den Wald geschlagen. Ein etwa fünfzig Meter breiter Kahlschlag in der Fortsetzung des Bollerstaudenwegs für die Straßenbahntrasse, für einen unnötigen Fuß- und Radweg sowie für die Ferngasleitung mit etwa fünfzig Metern Breite. Und in der Verlängerung der Carl-von-Ossietzky-Straße mit einer Breite von 25(!) Metern, für den Bau eines Fuß- und Radwegs nebst zwei Brunnen für Grundwasser-Wärmepumpen. Auf Nachfrage des BIV wies das verantwortliche Städtische Forstamt darauf hin, dass dies alles der „Waldumwandlungsgenehmigung“ entspreche. Teile der Rodungsfläche sollten später rekultiviert werden.

Nach Auffassung des BürgerInnenVereins BIV Rieselfeld wäre es möglich gewesen, den neuen Stadtteil Dietenbach mit allen Wohnungen und der erforderlichen Infrastruktur ohne großflächige Waldrodungen zu planen. Das bestätigte kürzlich sogar der ehemalige Leiter der Städtischen Projektgruppe, Rüdiger Engel, seit Kurzem im Ruhestand. Aber das sei nicht gewollt, ergänzte er noch. Weder von den Projektverantwortlichen, noch vom Planungsbüro, noch vom Gemeinderat.

Tatsächlich wurde der Wald von den Planern über die Jahre hinweg Zug um Zug in die Baufläche einbezogen. Ursprünglich war er im Plangebiet nicht enthalten gewesen. Schon 2014(!) hat der BürgerInnenverein Rieselfeld zum ersten Mal in einer Stellungnahme gefordert, den Wald nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu entwickeln. Diese wie etliche weitere entsprechende Eingaben des BIV im Lauf der Jahre blieben unberücksichtigt, zuletzt bei der zweimaligen Offenlage des ersten Teil-Bebauungsplans

Auch der Amtsantritt von Oberbürgermeister Martin Werner Walter Horn vor sechs Jahren hat daran nichts geändert, entgegen seinem Wahlkampfmotto „Gemeinsam gestalten statt einsam verwalten“ . Zwei Versuche des BIV, mit Horn bei Übergaben von umfangreichen Unterschriftensammlungen ins „gemeinsame Gestalten“ zu kommen, wurden jeweils von ihm abgeblockt.

Stattdessen verfolgte die Stadtverwaltung und die breite Mehrheit des Gemeinderats beharrlich sehr erfolgreich diese Strategie: Die Waldschützer in der Öffentlichkeit, auch im Lokalteil der Badischen Zeitung, pauschal zu undemokratischen Gegnern des Stadtteils Dietenbach zu erklären, die das Ergebnis des Bürgerentscheids nicht akzeptieren wollten. Wider besseres Wissen wurde diese Behauptung aus dem Rathaus permanent wiederholt. Auch von Martin Horn. Baubürgermeister Martin Haag ging sogar so weit, engagierten Bewohnern von Rieselfeld „reinen Eigennutz“ zu unterstellen – selbst Personen, die sich dazu bekennen, beim Bürgerentscheid für den Bau des Stadtteils gestimmt zu haben.

Gegen diese Methode kamen die Waldschützer nicht an: Weder der BürgerInnenVerein, noch das von ihm initiierte breite Aktionsbündnis „Hände weg vom DietenbachWALD, noch die Waldbesetzung. Trotz intensivster Bemühungen und unzähliger Gespräche, Demonstrationen, Aktionen, Petitionen, über fast fünf Jahre hinweg. Es gelang nicht, die Verantwortlichen für Klima- und Artenschutz im DietenbachWALD zu gewinnen. Auch die breite Öffentlichkeit konnte nicht überzeugt werden, ebenso wenig die Kirchen in Rieselfeld, die zu allen Bemühungen um Schutz des Waldes bis heute spürbar Distanz halten.

Nach wie vor gilt für die Mehrheit: Wo der Mensch Anspruch erhebt, wird Natur geopfert. Sei es für Wohnen, sei es für Mobilität, sei es für Sport oder für andere Bedürfnisse. Dass die Natur längst dazu übergegangen ist, sich zu wehren, wird ignoriert. Die Pläne für die Rodung von weiteren mehr als zwei Hektar DietenbachWALD liegen schon bereit. Für eine Versöhnung mit der Natur wird es aber bald zu spät sein. Was droht, sind zunehmende Hitzesommer, ausgetrocknete Wälder, schwere Unwetter – auch in Freiburg.