Mein Freund, der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot…
Dieser traurige und anrührende Song der Sängerin Alexandra aus den sechziger Jahren stieg
in uns auf, als wir kürzlich am Langmattenwäldchen spazieren gingen und folgende
Entdeckung machen mussten: eine ca. 250 Jahre alte Eiche am östlichen Waldrand, lag – bei
„Nacht und Nebel“ gefällt – stümperhaft abgesägt und amputiert traurig am Boden! Was war denn da bloß geschehen? Sie hat in ihrer Lebenszeit einiges erlebt und überstanden – die Französische Revolution von 1789, den 1. Weltkrieg und den Sturz des letzten deutschen Kaisers 1918, das 3. Reich und
den 2. Weltkrieg, den Wiederaufbau unseres zerstörten Landes und das Wirtschaftswunder.
Sicher war sie ob der Unvernunft der Menschen manchmal ratlos, aber sie hatte bisher allen
Erschütterungen und Notzeiten getrotzt. Sie hätte vielleicht noch weitere 500 Jahre vorbei
kommende Spaziergänger mit ihrem prachtvollen Wuchs erfreuen können! Jetzt liegt sie
heimtückisch gemeuchelt am Boden und wartet auf die finale Zerstückelung im Sägewerk!
Für jeden einzelnen Baum kämpfen der BIV Rieselfeld und viele Waldschützer im Netzwerk
„Hände weg vom DietenbachWALD“ schon seit Jahren gegen die Stadt Freiburg und den
Gemeinderat, die sich beide zwar den Klima-, Wald- und Artenschutz „auf die Fahnen
geschrieben“ haben, aber nun aus finanziellen Aspekten ca. 3500 Bäume dieses artenreichen
und klimatisch wertvollen Waldes opfern wollen – ein einzigartiges Revier von Haselmaus,
Schwarzspecht und Abendsegler, dazu im Juni das Terrain der Glühwürmchen mit ihrem
zauberhaften Leuchten beim Hochzeitstanz.
Die unlängst proklamierten Manifeste zu Klima- und Artenschutz werden mit Füßen getreten getreu dem schwäbischen Motto: „Was goat mi mei saudomms Gschwätz vo geschtern ah!“
Alle waren der festen Überzeugung, dass im Langmattenwäldchen nur während der
festgelegten Rodungszeit – also im Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende Februar –
Rodungen von Bäumen und anderen Gehölzen stattfinden dürfen, denn Rodungen sind von
März bis September nach § 39 des Bundesnaturschutzgesetzes wegen brütender Vögel
verboten, es sei denn, es geht von einem Baum eine Gefahr aus. Das ist ein Irrtum! Jeder private Waldbesitzer kann im Rahmen der Waldbewirtschaftung
einzelne Bäume auch außerhalb der Rodungszeit fällen. In Deutschland darf man im eigenen
Wald Bäume fällen so viel man will und wann man will. Jede Menge, jede Sorte, zu jeder
Jahreszeit, und an jedem beliebigen Wochentag. Nur „abschaffen“ darf man den Wald nicht. Allein Naturschutzgründe wie z. B. das Vorkommen von Höhlenbrütern wie Spechte oder ein
Wendehals könnten Grund dafür sein, Fällungen außerhalb der Rodungszeit zu untersagen.
Aber wer klettert denn auf sämtliche Bäume, um nachzuschauen, ob auf dem einen oder
anderen ein Höhlenbrüter einen Nistplatz gefunden hat? Der Grund für die Fällung der alten, riesigen Eiche am östlichen Rande des Langmattenwäldchens ist ein pekuniärer: Da die Stadt für den Grund und Boden – mit oder ohne Bäume -einen festen Betrag bezahlt, nutzen Waldbesitzer die Gelegenheit, sich vor dem Geländedeal noch ein Zubrot mit dem Holz zu verschaffen! Laut Kennern der Szene ist eine große, alte Eiche durchaus einen vier- bis fünfstelligen Euro-Betrag wert. Inzwischen sind weitere Einzel-Bäume aus dem Wald verschwunden; geblieben sind einsame Baumstümpfe und Waldwege mit Narben ihres Abtransports. Eine hilflose Traurigkeit erfasst uns!
Text: Heiner Sigel und Gertrud Keil