Anfragen von Freiburg Lebenswert und der Fraktion Eine Stadt für Alle an OB Martin Horn und den Gemeinderat bzgl. der Baumfällungen während der Brutzeit, sowie die Antwort der Stadt auf die Anfrage der ESfA

Nachstehend die Anfrage von Freiburg Lebenswert- Herr Dr. Wolf-Dieter WInkler an OB Horn vom 25.06.23:     

Anfrage nach § 24 Abs. 4 GemO zu Sachthemen außerhalb von Sitzungen
Hier: Fällungen Dietenbach-Wald

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die unkontrollierten und kürzlich wiederholten Baum-Entnahmen aus dem Dietenbach-Wald
im Bereich Langmattenwäldchen und „Toms Ranch“ haben bei vielen Freiburgern tiefe
Betroffenheit, ja Entsetzen ausgelöst, und veranlassen diverse Umweltorganisationen nun zu
dieser Anfrage an Sie über mich.

Dieser Waldbereich war bislang Gegenstand intensiver gutachterlicher Untersuchungen,
vieler politischer Diskussionen und daraus folgender Planungsarbeit von städtischen Stellen
(Projektgruppe Dietenbach, PGD). Mit dem unverbindlichen Rahmenplan beschloss der
Gemeinderat 2019 die Bereiche, in denen der Wald weichen (ca. 4,5 ha auf verschiedene
Waldzonen verteilt) und wo er bleiben soll. Jedoch kam es seitdem nicht zu rechtlich
verbindlichen Festsetzungen, weder im FNP 2020, noch durch einen B-Plan.
Auch das Regierungspräsidium prüft derzeit nach eigenen Angaben noch,
Zitat Frau B. Schäfer v. 16.06.23: „Zu den Themen wie die Vereinbarkeit der Planung mit dem
Natur- und Artenschutz und den Vorgaben des Landeswaldgesetzes inkl. der . . . ggfs.
erforderlichen Ausnahmegenehmigungen im Bereich Artenschutz, und zu den
Voraussetzungen für Erteilung der notwendigen Waldumwandlungserklärung sind wir noch
in der Prüfung.”
Obwohl der Stadtverwaltung die sehr hohe Bedeutung dieses Walddistrikts (lt. Forstamt ein
Bestandteil des „Tropenwalds (!!!) Baden-Württemberg“) sowie der GR-Beschlüsse dazu klar
sein muss (s. Waldkonvention 2020, Klima- und Artenschutzmanifest 2019), hat sie offenbar
keine Kontrolle darüber, ob in diesem Fall die Waldbäume vom Privateigentümer entfernt
werden oder nicht. Ihnen gibt das Landeswaldgesetz die Freiheit dafür, insbesondere wenn
der Bereich wie hier in viele kleine Eigentumsparzellen aufgeteilt ist.
Wir sehen die Gefahr, dass mit völlig legalen Baumfällungen erhebliche und irreversible
Eingriffe in das hier vorhandene Schutzgut Wald erfolgen, bevor das Waldeigentum an die
Stadt per Grundbucheintrag übergegangen ist.
Daher bitten wir um eine zeitnahe Antwort auf dringende Fragen:

1) Ist es richtig, dass die früheren Verkaufsverträge zwischen der EMD und den
Waldeigentümern den jeweils vorhandenen Baumbestand nicht einschließen und
sich nur auf die Grundflächen beziehen?

2) Ist es richtig, dass die Stadtverwaltung bei Übernahme der EMD-Kaufverträge den
vorgenannten Punkt nicht geändert hat?

3) Welche Maßnahmen ergreift die Stadt zum Waldschutz und ab wann wird sie
sicherstellen, dass die bisherigen Beschlüsse und Pläne zum Walderhalt umgesetzt
und verwirklicht und weitere unerwünschte Baumfällungen effektiv verhindert
werden?

4) Ist es richtig, dass die Holzentnahme aus einem Privatwald, der sich formal nicht in
einem FFH- oder Naturschutzgebiet befindet, jederzeit und umfangreich erlaubt ist?
Ist dies unabhängig von Umweltauflagen, Waldschutzsatzungen oder Vogelbrutzeiten
formal und auch ethisch vertretbar?

5) Ist der Stadtplanung nicht bekannt, dass in den betroffenen Waldstücken der
Hirschkäfer, eine FFH geschützte und stark gefährdete Art, für die Baden-
Württemberg die Arterhaltungsverantwortung trägt (Rote Liste), mehrfach gesichtet
und der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) gemeldet worden
ist?

7) Wie verträgt sich Ihrer Ansicht nach dieses Vorgehen mit dem Freiburgs Klima- und
Artenschutzmanifest, welches eine Inanspruchnahme des Waldes an sich schon für
verlegbare Infrastrukturen höchst fragwürdig erscheinen lässt und der in seiner
ökologischen Bedeutung und Wirkung durch keinerlei sogenannte
„Ausgleichsmaßnahmen“ ausgeglichen werden kann?
In Erwartung Ihrer baldigen klärenden Rückantwort.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolf-Dieter Winkler
(Stadtrat)

Nachstehend der Brief den die Fraktion Eine Stadt für Alle an den Oberbürgermeister Martin Horn geschrieben hat anlässlich der Rodungen während der Brutsaison:

Anfrage nach § 24 Abs. 4 GemO – Baumfällungen im Dietenbach-Wald
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
auch unsere Fraktion hat mit Entsetzen Kenntnis davon erhalten, dass am 19.06.23 mitten in der
Brutsaison auf einem Flurstück des Dietenbachwaldes mindestens 16 große Bäume gefällt wurden.
Und dies war nicht das erste Mal, dass Waldeigentümer:innen kurz vor Grundstücksübergabe in
den Waldbestand eingegriffen haben. Weitere derartige Eingriffe / Fällungen müssen aus klima- und artenschutzrechtlichen Gründen unbedingt verhindert werden.
Deshalb bitten wir um eine erste Stellungnahme zu der Problematik und unseren nachfolgenden
Fragen in der morgigen Gemeinderatssitzung unter TOP Verschiedenes im öffentlichen Teil,
ebenso wie um eine schriftliche Beantwortung:
1.Entspricht es den Tatsachen, dass die Waldeigentümer nicht für ihren Baumbestand, sondern
nur für ihr Grundstück entschädigt werden? Wenn ja, warum nicht?

  1. Wird die Verwaltung weitere Rodungen verhindern und wenn ja mit welchen Mitteln?
    Wir plädieren für eine Entschädigung für den Baumbestand an private Waldbesitzer zur
    Verhinderung weiterer Abholzung, wenn andere Mittel nicht greifen.
  2. Wusste die Stadtverwaltung von der illegalen Rodung, wenn nein wie geht sie nun damit um?
    Wir fordern die Stadt auf, den Waldbesitzer wegen des Verstoßes gegen den Artenschutz rechtlich
    zu belangen.
  3. Warum werden weitere Rodungen nur bis zum 1.8.23 untersagt? Entspricht es der Tatsache,
    dass großflächige Baumfällungen danach geduldet werden? Wir sprechen uns klar dagegen aus.
  4. Zu welchem Zeitpunkt werden die Grundstücke von den Besitzern an die Stadt übergeben? Ist
    zu diesem Zeitpunkt der Bebauungsplan rechtskräftig beschlossen? Wenn nein, wie will die Stadt
    gewährleisten, dass keine Bäume gefällt werden, die aufgrund der geplanten Bebauung Bestand
    haben.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lina Wiemer-Cialowicz Irene Vogel Prof. Günter Rausch
    Co-Fraktionsvorsitzende Stv. Fraktionsvorsitzende Stadtrat im Umweltausschuss

Antwort der Stadt Freiburg an die ESfA-Fraktion

Freiburg, den
10.07.2023

Anfrage nach § 24 Abs. 4 GemO zu Sachthemen außerhalb von Sitzungen
hier: Baumfällungen im Dietenbach-Wald


Sehr geehrte Frau Stadträtin Wiemer-Cialowicz,
sehr geehrte Frau Stadträtin Vogel,
sehr geehrter Herr Stadtrat Mohlberg,


wir kommen zurück auf Ihre Anfrage vom 26.06.2023 zu Baumfällungen im Langmat-
tenwald. Ihre Anfrage wurde im Bau- und Umlegungsausschuss am 28.06.2023 bereits
mündlich beantwortet.

Wir wurden gebeten, dies auch schriftlich nochmals mitzuteilen:

1. Entspricht es den Tatsachen, dass die Waldeigentümer nicht für ihren Baumbe-
stand, sondern nur für ihr Grundstück entschädigt werden? Wenn ja, warum
nicht?

Die Stadt Freiburg hat mit den Waldeigentümern keine Verträge abgeschlossen.
Alle Verträge wurden von der EMD, die der Sparkasse gehört hatte, abgeschlos-
sen. Die EMD bezahlt den vereinbarten Grundstückspreis von 64 €/m², der be-
kanntlich über dem Preis liegt, den die Stadt für Grundstücke aufgrund der ge-
setzlichen Vorschriften anbieten darf (16,50 € m²). Im Grundstückspreis ist immer
auch der Wert enthalten, der aus Nutzungen (Acker oder Wald) gezogen werden
darf.

2. Wird die Verwaltung weitere Rodungen verhindern und wenn ja mit welchen Mit-
teln? Wir plädieren für eine Entschädigung für den Baumbestand an private
Waldbesitzer zur Verhinderung weiterer Abholzung, wenn andere Mittel nicht grei-
fen.

Ein Privatwaldbesitzer darf Bäume im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirt-
schaftung fällen. Hierbei müssen die Bestimmungen des Naturschutzrechts und
des Waldrechts eingehalten werden.

Eine vorsorgliche Allgemeinverfügung ist nicht zulässig, es müsste die konkrete
Gefahr bestehen, dass Bäume unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften ge-
fällt werden.

Eine Entschädigungszahlung durch die Stadt wäre nicht vereinbar mit dem Gebot
sparsamer Haushaltsführung. Sie würde die Waldeigentümer gegenüber anderen
Eigentümern bevorzugen, was im Widerspruch zu dem Umstand steht, dass
Acker- und Grünland einen höheren Wert pro m² aufweisen als Waldflächen. Dar-
über hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Höhe einer möglichen Entschädigung
sich nicht vernünftig ermitteln lässt, weil die Eigentümer_innen durch den Kauf-
vertrag mit der EMD ja ohnehin bereits einen Kaufpreis erhalten, der den reinen
Grundstückswert für Wald und den Holzwert bei weitem übersteigt. Insbesondere
würde die Abwicklung unverhältnismäßigen Aufwand auslösen, die Stadt müsste
mit den Eigentümer_innen (aufgrund verschiedener Erbengemeinschaften ca. 80
Personen) Zuschussvereinbarungen abschließen, obwohl der Abschluss der
Kaufverträge und der Besitzübergang der Grundstücke auf die EMD noch im
Sommer diesen Jahres unmittelbar bevorsteht und damit die Frage der Waldbe-
wirtschaftung auf die Stadt übergeht. Alleine schon aufgrund dieser zeitlichen Ab-
läufe ergibt sich, dass dies keine sinnvolle und auch keine umsetzbare Vorge-
hensweise ist.

3. Wusste die Stadtverwaltung von der illegalen Rodung, wenn nein wie geht sie
nun damit um? Wir fordern die Stadt auf, den Waldbesitzer wegen des Verstoßes
gegen den Artenschutz rechtlich zu belangen.

Es liegt keine illegale Rodung vor. Sobald die Stadtverwaltung vom Sachverhalt
Kenntnis bekommen hat, war das Forstamt sowie Polizei vor Ort. Gemeinsam
wurde mit den dort arbeitenden Personen vereinbart, dass sie das Fällen stop-
pen, um potenzielle Verstöße gegen Arten- und Naturschutzrecht zu vermeiden,
was die Arbeiter auch zugesagt haben.

4. Warum werden weitere Rodungen nur bis zum 01.08.2023 untersagt? Entspricht
es der Tatsache, dass großflächige Baumfällungen danach geduldet werden? Wir
sprechen uns klar dagegen aus.

Es ist eine Fehlinformation, dass das Fällen von Bäumen bis zum 01.08.2023 un-
tersagt worden sei. Weder die untere Forstbehörde noch die untere Naturschutz-
behörde haben eine Rechtsgrundlage für ein allgemeines Rodungsverbot. Bei
Einhaltung der sog. ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung ist der Holzein-
schlag nicht auf eine bestimmte Zeit reglementiert.


5. Zu welchem Zeitpunkt werden die Grundstücke von den Besitzern an die Stadt
übergeben? Ist zu diesem Zeitpunkt der Bebauungsplan rechtskräftig beschlos-
sen? Wenn nein, wie will die Stadt gewährleisten, dass keine Bäume gefällt wer-
den, die aufgrund der geplanten Bebauung Bestand haben.

Die Grundstücke werden nach Kaufpreiszahlung an die inzwischen städtische
EMD übergeben. Damit ist voraussichtlich noch im dritten Quartal 2023 zu rech-
nen. Ab diesem Zeitpunkt ist dann die Stadtverwaltung für die weitere Bewirt-
schaftung der Flächen verantwortlich.

Zum Stand der Bauleitplanung: Die Änderung des Flächennutzungsplans für den
Bereich des neuen Stadtteils ist für die Gemeinderatssitzung am 14.11.2023 vor-
gesehen, die erneute Offenlage des Bebauungsplanentwurfs „Dietenbach-Am
Frohnholz“, die Änderungen aus der förmlichen Beteiligung verarbeitet, für Feb-
ruar 2024. Dies haben wir in der GR-AG Dietenbach am 22.05.2023 berichtet.


Mit freundlichen Grüßen


Gez:
Prof. Dr. Martin Haag
Bürgermeister