Podiumsdiskussion am 18.04. zum Thema Dietenbachwald mit Fraktionen aus dem Gemeinderat vor der Kommunalwahl

Wie stehen Kandidierende zum DietenbachWALD?

Entscheidungshilfe für die Gemeinderatswahl

Am 9. Juni wird in Freiburg ein neuer Gemeinderat gewählt. Auch dieses Gremium wird sich intensiv mit dem Bau des neuen Stadtteils Dietenbach beschäftigen müssen; und mit der Frage, ob dafür wirklich mehr als vier Hektar Wald vernichtet werden sollen. Das war Anlass für den BürgerInnenVerein Rieselfeld und das Aktionsbündnis „Hände weg vom DietenbachWALD“, Kandidierende verschiedener Wahllisten zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion ins Glashaus einzuladen. Moderator Florian Kech gelang es hervorragend, sie alle untereinander und mit vielen Gästen ins Gespräch zu bringen.

Auf der Leinwand das Luftbild des gesamten Waldes, um den es geht: Nicht nur um einen Teil des Langmattenwäldchens im Westen, sondern um mehrere Waldstücke zwischen dem Bollerstaudenweg und der Tel Aviv-Yafo-Allee im Osten. Welche Bedeutung dieser Wald für Menschen und Tiere hat, wurde in der Kurzversion von Sarah Molls Film „Das Kleinod“ deutlich: Lebensraum für viele geschützte Arten, CO2- und Wasserspeicher, Kühloase.

Es geht um den Wald, nicht um den Stadtteil

Mehr als 120 Zuhörerinnen und Zuhörer konnten erfahren, dass alle Kandidierenden diese Werte durchaus kennen und schätzen, aber vier von fünf bewerten die Ideen der Planer und die Vorgaben der Verwaltung in manchen Details höher als die Belange der Natur. Obwohl in der Begrüßung deutlich darauf hingewiesen worden war, dass es in der Diskussion nur um den Wald und nicht um den Bau des neuen Stadtteils gehen soll, wurde als Argument für die geplanten Abholzungen immer wieder die Wohnungsnot angeführt.

Vor allem in den Köpfen der amtierenden Gemeinderäte ist offenbar fest verankert, dass Dietenbach ohne Waldverlust nicht machbar wäre. „Die vier Hektar Wald werden gebraucht für Straßenbahn und Infrastrukturleitungen“, sagt Stadtrat Walter Krögner, SPD. Er räumt aber in der folgenden Diskussion ein, dass man die Gebäudehöhen „im Blick“ haben müsse, um eventuell Grundfläche zu sparen; und die derzeit in den Langmattenwald hinein geplanten sechs „Townhouses“ mit 24 Wohnungen vielleicht auch außerhalb des Waldes bauen könnte.

Fragwürdige „Townhouses“

Auch Stadtrat Martin Kotterer, CDU, hält es für möglich, „dass diese Häuser so nicht gebaut werden“. Und Esther Grunemann, Kandidatin der Linken Liste, fordert gleich den Verzicht auf die Townhouses. Simon Sumbert, Stadtrat von Bündnis 90/Die Grünen, plädiert dafür, auf den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von dreißig Metern zwischen diesen Häusern und dem Wald zu verzichten. Eine Entscheidung über die Townhouses, darin sind sich alle einig, steht voraussichtlich erst in fünf Jahren an.

Für den uneingeschränkten Verzicht auf Rodungen will sich nur Mascha Klein, Kandidatin für Freiburg Lebenswert, im neuen Gemeinderat einsetzen: „Natur und Wald sind an oberste Stelle zu setzen. Klimawandel und Artensterben sind menschengemacht. Das müssen die Menschen abwenden“. Und Ina Rometsch, Vertreterin des Aktionsbündnisses „Hände weg vom DietenbachWALD“, ergänzt: „Wald einfach zu überbauen ist nicht zeitgemäß. Die Planungen stammen aus einer Zeit, in der wir noch nicht wussten, will schnell die Erhitzung und das Artensterben voranschreiten.“ Für den Bau der Townhouses anstelle des Waldes würden fragwürdige städtebauliche Argumente angeführt. Für eine „Sichtachse“ entlang des „Ringboulevards“ solle Wald vernichtet werden. Sie fragt auch, warum die oberste Priorität für Klima- und Artenschutz, die der Gemeinderat 2019 in einem viel beachteten Manifest beschlossen hat, beim Bau von Dietenbach offenbar nicht gilt. Eine Antwort bekommt sie nicht.

Ein 30-Meter-Streifen ist kein Wald

Zum Verlauf der Straßenbahntrasse durch den Wald gibt es nach Überzeugung von Simon Sumbert keine brauchbare Alternative. Alle möglichen Varianten seien aufwändig geprüft worden, übrig geblieben sei nur dieser Anschluss an die Linie 5 nach Rieselfeld. Die von Architekt Tjark Voigts aus dem Aktionsbündnis vorgeschlagene Ostumfahrung des Waldes würde den geplanten Schulcampus durchschneiden, was auch Esther Grunemann befürchtet. Auch die dringend benötigten Sportflächen würden durchschnitten, ergänzt Martin Kotterer. Schon jetzt habe der Verein „Sport vor Ort“ aus Platzmangel einen Aufnahmestopp. Dennoch könnte es bei der Planung der Sportflächen „Bewegung geben“, meint Simon Sumbert.

Die Pläne sehen vor, dass entlang der Mundenhofer Straße ein dreißig Meter breiter Streifen von Bäumen erhalten bleiben soll. Für Mascha Klein ist klar, dass dieser Waldstreifen die zunehmende Hitze und Trockenheit nicht überstehen und daher in einigen Jahren von selbst verschwinden wird. Auch Walter Krögner und Simon Sumbert räumen ein, dass dieses schmale Band nicht als Wald bezeichnet werden kann: „Das ist eher ein Grünstreifen“, erklärt Forstingenieur Krögner. Aber bei entsprechender Pflege könne er „wahrscheinlich erhalten werden“. – „Wer gießt?“, tönt es dazu aus dem Publikum.

Lebhafte Publikumsbeteiligung

Die Zuhörenden machen reichlich Gebrauch von der Gelegenheit, Stellung zu nehmen und Fragen zu stellen. „Beim Bürgerentscheid 2019 waren Informationen zu lesen, dass der Wald stehen bleibt“, konstatiert Rieselfelderin Walli Gatzke. Und Mascha Klein ergänzt: „Damals wurde kommuniziert, dass es nur um Maisäcker geht“. Stadtrat Gregor Mohlberg von der Linken Liste meldet sich aus dem Publikum und bestätigt: „Wir haben den Wald von Anfang an nicht im Blick gehabt, sonst wäre anders geplant worden.“

„Der Wald muss geschlossen erhalten bleiben, sonst geht seine wichtige Kühlfunktion für die Menschen in Rieselfeld und Dietenbach verloren“, warnt Forstingenieur Joachim Müller. Rieselfeldbewohner Helmutz Mielitz erklärt: „Es geht nicht um Wohnen oder Wald, nicht um Straßenbahn oder Wald, nicht um Sport oder Wald“. Die vier Hektar Wald, die gerodet werden sollen, machten nur drei Prozent der gesamten Planungsfläche für Dietenbach aus. „Wenn sich der neue Stadtteil wegen drei Prozent weniger Fläche nicht rechnet, dann rechnet er sich auch sonst nicht“, meint Mielitz. Und Petra Müller-Stolz vom Mietshäuser Syndikat stellt fest: „Ich habe Zweifel, dass auch nur eine Sozialwohnung weniger gebaut würde, wenn der Wald stehen bliebe“.

Rieselfelderin Margarete Brucker empfiehlt, im ganzen Stadtgebiet eingeschossige Einkaufsmärkte mit Wohnungen zu überbauen und dafür in Dietenbach Wohnungen und damit Waldfläche einzusparen. Für die Waldkindergärten plädiert Leiterin Angelika Fink: „Kinder brauchen den Wald für das Naturerleben und als Ort der Ruhe“. Tjark Voigts regt an, weitere Sportflächen im Dietenbachpark jenseits der Tel-Aviv-Yafo-Allee anzulegen. Dort müssten nur freie Wiesenflächen und kein Wald überbaut werden. Ohnehin würden die jetzt in Dietenbach geplanten Sportflächen für die künftig 26.000 Bewohnerinnen und Bewohner von Dietenbach und Rieselfeld nicht ausreichen.

Noch sind Umplanungen möglich

Für die Sportflächen ließe sich vielleicht auch anderswo eine gute Lösung finden, signalisiert CDU-Mann Martin Kotterer in der Schlussrunde. Walter Krögner von der SPD sympathisiert in seinem Fazit mit dem Gedanken, die Planungen für die Townhouses zu ändern. „Es wäre nicht ehrlich, den vollen Walderhalt zu versprechen“, resümiert der Grüne Simon Sumbert, „aber wir werden das Maximale für den Wald rausholen“. Esther Grunemann von der Linken Liste gibt „die Hoffnung nicht auf, dass vom Wald so viel wie möglich erhalten bleibt.“ Mascha Klein von Freiburg Lebenswert ist das zu wenig: „Ich will, dass jeder Baum erhalten bleibt“. Dem schließt sich Ina Rometsch vom Aktionsbündnis an und warnt vor den drastischen Folgen, wenn wegen des auch für Dietenbach geplanten Raubbaus an der Natur die Ökosysteme zusammenbrechen; wenn Hitze, Dürre, Überschwemmungen und Artensterben weiter rasant zunehmen.

Am 9. Juni wird der neue Freiburger Gemeinderat gewählt. Die Diskussion im Glashaus hat den Kandidierenden Anregungen geliefert, wie die Planung von Dietenbach zugunsten des Waldes geändert werden könnte. Noch gibt es keinen rechtskräftigen Bebauungsplan. Darüber wird erst der neue Gemeinderat entscheiden. Für Wählerinnen und Wähler, die den DietenbachWALD schützen wollen, war die Diskussion im Glashaus eine Entscheidungshilfe für die Wahl.

Text und Fotos: Harald Kiefer